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„Aber ich habe doch nichts getan!“

Zuerst erschienen im „Armendienst“, Jahrgang 39/4, im Oktober 2024 Immer öfter sind Bewohner*innen von VinziNest und VinziSchutz von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen. Eine Schilderung eines traumatischen Erlebnisses. Von: Edina Görög-Nagy

EU-Bürger*innen dürfen sich in einem Zeitraum von 180 Tagen nur für maximal 90 Tage in Österreich aufhalten. Immer häufiger kommt es auf der Straße zu Polizeikontrollen, bei denen die Aufenthaltsdauer überprüft wird und Beamt*innen die Kontrollierten dazu auffordern, Dokumente zu unterschreiben. Deren Inhalt verstehen nur die wenigsten. In den Notschlafstellen können die Mitarbeiter*innen nur versuchen, die Betroffenen über diese gesetzlichen Regelungen aufzuklären, und ihnen nahelegen, für ein paar Wochen abzureisen, wenn sich die maximale Aufenthaltsdauer dem Ende zu neigt. Doch selbst der Nachweis über Ein- und Ausreisen gestaltet sich als schwierig, da durch die europäische Freizügigkeit Grenzübertritte nicht registriert werden. Immer wieder kommt es zu so genannten „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“. In der Praxis erweisen sich diese als sehr belastend für unsere Bewohner*innen. Sie wiederum können diese Gesetze oft schwer nachvollziehen und versuchen sich verzweifelt zu rechtfertigen: „Aber ich habe doch nichts getan! Ich bin ein anständiger Mensch.“

Eine slowakische Bewohnerin der Notschlafstelle VinziSchutz schildert ihre Erlebnisse, die sie heute noch aufwühlen:

„Als mich am Vormittag zwei zivil gekleidete Polizisten* mitgenommen haben, habe ich gar nichts verstanden. Ich hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden, mein Blutdruck ist in die Höhe geschossen, mein Herz ist fast herausgesprungen und ich habe rasende Kopfschmerzen bekommen. Es war so demütigend, wie sie mich von der Straße, wo ich saß, abgeführt haben! Ich habe doch nie etwas verbrochen, weder hier, noch in meiner Heimat! Sie haben mich auf die Polizeiinspektion gebracht. Ich habe nicht verstanden weshalb ich mitgenommen wurde und habe um eine*n Dolmetscher*in gebeten. Es kam aber niemand. Man hat mir ein Dokument zum Unterschreiben in meiner Muttersprache vorgelegt, das aber viel zu lang war, um es richtig durchlesen zu können. Außerdem kann ich ohnehin nicht gut lesen und war auch sehr nervös. Es stand geschrieben, dass ich das Gesetz des Landes verletzt hätte.

Danach hat man mich ins Auto gesetzt, und in die Notschlafstelle VinziSchutz gefahren. Ich durfte aber weder aussteigen, noch mit jemanden sprechen. Lediglich die Polizeibeamt*innen sind reingegangen, um mein persönliches Gepäck abzuholen. Gott sei Dank wurde es mir erlaubt, mit meinem Handy einen Bekannten anzurufen, der für mich etwas übersetzen konnte und versprach der Hausleitung auszurichten, was mit mir geschieht. Die anderen Mitbewohner*innen haben schnell mein Gewand und meine Habseligkeiten zusammengepackt. Ich musste einige Dinge in der Notschlafstelle zurücklassen, da im Polizeiauto nur Platz für einen Koffer war. Meine Mitbewohner*innen waren alle erschrocken darüber, was mit mir passiert. Danach fuhren wir los, ohne dass ich wusste, wohin ich jetzt gebracht werde. Man fuhr mich nach Slowenien, wo ich kurz nach der Grenze ausgesetzt wurde. Es war ein furchtbares Gefühl! Ich hatte den ganzen Tag weder getrunken, noch gegessen. Ich war fertig! Die Polizisten zeigten auf ein Kaffeehaus und sagten, dass ich dort essen könne, wenn ich Geld dafür hätte. Ich war verzweifelt, ohne Sprachkenntnisse in einem unbekannten Land, wo ich niemanden kannte. Ich fühlte mich ganz verloren! Meine Rettung war, dass mein Handy noch funktionierte und ich meine Familie verständigen konnte. Sonst wäre ich bis heute dort, alleine am Straßenrand, auf mich gestellt. Gott sei Dank konnte ich jemanden aus meiner Heimat erreichen, der ein Auto hatte und ich habe ihn angefleht, mich abzuholen. Ich habe Angst gehabt, dass ich auch noch über Nacht alleine dort verweilen muss. Nach etlichen Stunden ist er endlich gekommen und hat mich abgeholt. Ich war erschöpft und verängstigt. Ich weiß, dass die Polizisten nur ihre Arbeit gemacht haben, aber ich hatte das Gefühl, wie ein Hund ausgesetzt worden zu sein.“

Diese Geschichte ist leider kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu Außerlandesbringungen, wenn jemand seine maximale Aufenthaltsdauer überschreitet. Dabei wird die Person unabhängig vom Herkunftsland nur zum nächstgelegenen Grenzübergang gebracht und dort ausgesetzt. Für eine mittellose, ältere Person, die die Sprache nicht beherrscht, keine Ortskenntnisse hat und nicht weiß, wie sie von dort in ihr Heimatland gelangen kann, kommt das einem Horrorszenario gleich. In anderen Fällen werden Geldstrafen in der Höhe von bis zu 500 Euro auferlegt, wodurch das mühevoll Ersparte mit einem Schlag wieder zunichtegemacht wird. Sogar Einreiseverbote von bis zu fünf Jahren sind gesetzlich möglich. Für Armutsmigrant*innen bedeutet das meist den endgültigen existenziellen Ruin.

Die Frau aus unserem Beispiel hatte noch Glück im Unglück und konnte sich selbst aus ihrer Lage befreien. Aber wie wird es anderen gehen? Irgendwann stehen auch wir vor einer unlösbaren Aufgabe. Ein Zustand, den wir dringend ändern müssen!

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