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Regionaljournal: Heimatvertrieben, heimwehkrank, traumatisiert und traurig

Heimatvertrieben, heimwehkrank, traumatisiert und traurig

Die Hetze gegen Flüchtlinge nimmt vielerorts bedenkliche Formen an. Geht man der Sache vorurteilslos auf den Grund, wird die gesamte Tragik der Menschen, die bei uns Hilfe suchen, sichtbar.

Angst bestimmt ihr Leben: Sie waren monatelang auf der Flucht und wissen nicht, wie es ihren Familien geht. Sie sind mit Vorurteilen konfrontiert und oft unerwünscht: Das Flüchtlingsdasein ist aber kein Honigschlecken. Wei im Zusammenhang mit Flüchtlingen - hauptsächlich durch Unwissenheit – oft Unsicherheit verbreitet werde, wurde zu einem Pressegespräch eingeladen: Für das Steirische Hilfswerk haben sich der Bezirksgeschäftsführer des Roten Kreuzes, Karl Lechner, sowie Monika Fuchs und Grete Gruber im Haus von Kurt Nemetz in Judenburg, der ebenfalls im Hilfswerk aktiv ist, , um Aufklärung bemüht. „Es dürften viele Anschuldigungen und Befürchtungen auch auf das Konto der bevorstehenden Wahlen gehen“, vermuten die „Hilfswerkler“.

Zynismus, Geschichtsvergessenheit und Angst vor Überfremdung

Ein Plakat, vor einer Flüchtlingsunterkunft angebracht, rät Verzweifelten: „Bitte weiterflüchten“. Es sei an Zynismus kaum zu überbieten, so die Hilfswerk-Mitarbeiter. Es zeuge einerseits von erschütternder Vergesslichkeit. Denn viele würden offenbar verdrängen, dass ihre eigenen Eltern oder Großeltern eingewandert seien. In Judenburg sind das laut dem Historiker Dr. Franz Bachmann immerhin rund 1800 Personen. Leicht hatten es die Zufluchtssuchenden aber auch damals nicht. Ein mittlerweile eingeschworener Judenburger berichtete, dass er seinerzeit zu hören bekommen hat: „Verschwindet, Gsindel!“. Besonders Fremdenfeindliche sollen damals sogar die Hunde von den Ketten gelassen haben, wenn sich Flüchtlinge ihrem Heim näherten. Dennoch ist die Integration gelungen.
Bei dem Pressegespräch erzählten einige aus Syrien und Ägypten geflüchteten Männer, wie gefährlich ihre Flucht war: „Wir waren zwei Monate unterwegs. Zunächst in einem Schlauchboot, das für 20 Personen zugelassen und mit 60 Personen besetzt war. Danach haben wir uns vorwiegend durch die Wälder geschlagen“, so der erschütternde Bericht eines Flüchtlings. Frauen und Kinder hätten diese Strapazen nicht überlebt. Das erkläre auch, warum vorwiegend Männer nach Österreich kommen - und warum sie über ein Mobiltelefon verfügen. Denn es sei die einzige Möglichkeit, mit ihrer Familie Kontakt zu halten. Ihre eigenen Telefone wurden ihnen abgenommen. Alle bis dahin geführten Anrufe würden nämlich kontrolliert. Und es dauere etwa sechs Monate, bis die Handys zurückgegeben werden. Elternhaus, Sprache, Gerüche, das in der Kindheit geprägte Gefühl der Zugehörigkeit, all das sei aus ihrem Leben verschwunden.
Nach gelungener Flucht sind die Heimwehkranken auf sich gestellt, auf das Mitgefühl und Mitleid der Gastgeber angewiesen. „Wir suchen in Österreich Sicherheit und Frieden“, sagen die Flüchtlinge. Sie verstünden, „wenn die Österreicher sagen, dass wir nichts arbeiten und dafür vom Staat Geld bekommen. Wir sind aber gern bereit, etwas für Österreich zu tun“. Ein Flüchtling arbeitet bereits im Judenburger Vinci-Markt, andere sind im Rahmen des Erlaubten aktiv. Alle lernen eifrig Deutsch. Die Hilfswerk-Mitarbeiter unterstützen sie, wo immer es möglich ist, auch bei behördlichen Angelegenheiten, Arztbesuchen und dergleichen.

Schuhe werden gebraucht

In der Region Knittelfeld sind 139, in der Region Judenburg 234 Flüchtlinge untergebracht. Jeder Asylwerber erhält 150 Euro monatlich, womit die Ernährung und die Hygieneartikel bezahlt werden müssen. Dreimal jährlich gibt es ein Bekleidungsgeld in der Höhe von 50 Euro, für Kinder werden 200 Euro im Jahr ausbezahlt. Migranten verlassen ihr Land mehr oder weniger freiwillig, Flüchtling verlassen ihre Heimat unfreiwillig. Nach Zulassung zu einer Prüfung werden die Flüchtlinge zu Asylwerbern und haben Anspruch auf die Grundversorgung. Die Genfer Flüchtlingskonvention legt im Artikel 1 fest, wer als Flüchtling gilt. Die in Österreich Hilfe suchen, gehören eindeutig dazu. Erst nach dem zuerkannten Status können sie ihre Familien auf eigene Kosten zu sich holen.
„Wir waren in einigen Schulen und haben nach unserer Schilderung, warum und wie wir geflüchtet sind, die vorgefertigte Meinung der Schüler revidieren können“, erzählten die Flüchtlinge. Sie seien gern bereit, diese Aktion in Schulen, in denen man an ihrem Leben interessiert ist, zu wiederholen.
Jetzt, im Winter, hätten es die Flüchtlinge besonders schwer, so die Hilfswerk-Mitarbeiter. Sie haben kaum Geld zur Verfügung und dürfen keiner Arbeit nachgehen. „Sie kochen gerne und mit Leidenschaft“, berichtete Grete Gruber. Den ganzen Tag nur zu warten, bis es Abend wird und in Gedanken in der Heimat zu sein, sei schwer. Sich durch Spaziergänge abzulenken, ist nicht möglich, denn momentan fehlt es an winterfestem Schuhwerk. Auch im Vinzishop hat man keine Herrenschuhe auf Lager. Hilfe wäre daher dringend nötig.

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