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Regionaljournal: Das Zirbenland wird vielfach verkannt: Familie und Freunde als Zugpferde

Das Zirbenland wird vielfach verkannt: Familie und Freunde als Zugpferde

Was die einen schätzen, vertreibt andere aus dem Zirbenland. Das haben Studierende der Karl Franzens Universität Graz in mehrwöchigem Literaturstudium sowie durch Befragungen vor Ort herausgefunden.

In Auftrag gegeben hat sie der Verein „Leader Zirbenland“, präsentiert wurde die Studie im Holzinnovationszentrum in Zeltweg: Studenten der Karl Franzens-Universität Graz, die das Masterstudium Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung absolvieren, haben sich damit beschäftigt, wie man gebürtige Zirbenländer, die eine gute Ausbildung genossen haben, darin bestärkt, in ihrer Heimat zu bleiben beziehungsweise nach Hause zurückzukommen. Laut den Ergebnissen der Studenten würden Akademiker nach dem Studium lieber zurückkehren, wäre das Jobangebot größer, würden sich Betriebe mehr um sie bemühen und fänden sie entsprechende Infrastrukturen - auch für ihre Familien - vor. Zugpferde, so haben die Studenten herausgefunden, seien hingegen familiäre Bindungen und Freunde, dicht gefolgt von der Freizeitgestaltung im Bereich des Wanderns und Schifahrens sowie der Red Bull Ring. Danach kommen das Vereinsengagement und zuletzt das politische Engagement.
Was die Menschen veranlasst, ihre Heimat zu verlassen, wurde ebenfalls festgehalten: das geringe Jobangebot, niedrige Löhne, das zu geringe Kultur- und Freizeitangebot sowie das fehlende Nachtleben. „Tote Hose“ umriss es ein damit befasster Student kurz und bündig.

Lösungsansätze

Der Niedergang der Stahlindustrie habe den Begriff Krisenregion geprägt. „Obwohl die Krise längst überwunden ist, ist das noch in den Köpfen verankert“, erklärte ein Mitarbeiter des Projektes. Und auch das sei signifikant: „89 Prozent der Maturanten werden studieren. Für 82 Prozent ist ,Zirbenland‘ aber kein Begriff, mit dem sie etwas anfangen können.“ Der Rat lautet daher: „Das Heimatbewusstsein sozusagen von Kindesbeinen an stärken. Die Erwachsenenausbildung zum ,Zirbenlandprofi‘ sollte es in den Lehr- und Stundenplan schaffen.“ Ein weiterer Tipp lautete: „Den Kontakt mit den Zirbenländern mit allen Mitteln aufrecht erhalten.“
Unternehmen wird laut Studie empfohlen, sich auch auf Facebook zu präsentieren, um einen „Zugang auf Augenhöhe zu schaffen“. Die Vergabe von Diplomarbeiten und die Einstellung von Praktikanten wären ebenfalls gute Wege, zueinander zu finden. Unternehmer, die sich auch um die Familien kümmern, wenn sie Kindergarten- und Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stellen, würden nicht nur für „Heimkehrer“, sondern auch für andere Bewerber attraktiv sein. Denn der Ruf eines Unternehmens spiele eine wesentliche Rolle. „Als ,Leuteschinder´ verrufene Unternehmer würden es trotz besserer Bezahlung schwerer haben als jene, die für guten Umgang mit Mitarbeitern bekannt seien. Wiedereinsteigern und Spätberufene, die eine Lehre im reiferen Alter antreten, sollte man nicht außer Acht lassen, wie überhaupt das Anwerben älterer, erfahrener Mitarbeiter Vorteile mit sich bringe. Die Facebook-Plattform „Zirbenland-Academics“, so die Studentenempfehlung, soll künftig dafür Sorge tragen, dass die Kommunikation klappt und zu den auf allen Seiten angestrebten Ergebnissen führt.

Das sagen die „Zirbenländer“:

Dipl.-Ing. Josef Bärnthaler, ein Zuhörer, ließ bei der Vorstellung der Studie das Argument der niedrigen Löhne nicht gelten: „Im Gegenteil, um Bewerber zu bekommen, wird oft überbezahlt. Nicht erwähnt wurden die leistbaren Mieten der Region.“ Andere Zuhörer vertraten die Ansicht, dass Befragungen in den Fachschulen andere Ergebnisse als im Gymnasium erbracht hätten. Und bezüglich Abwanderung ließ Ing. Klaus Rainer von „Kraft.Das Murtal“ wissen: „Der Bevölkerungsschwund resultiert nicht nur als Abwanderern. Die Geburtenrate ist stark rückläufig.“
Die Studenten erklärten auch, wie sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind: „Wir haben uns intensiv mit der ,Leaderregion Zirbenland‘ befasst. Nach dem Literaturstudium haben wir uns in Betrieben umgehört und Maturanten des Gymnasiums in Judenburg befragt“, so Mag. Jonas Maier, der das Projekt geleitet hat. „Um nicht an Schärfe zu verlieren, haben wir bewusst für die Studie nur das Zirbenland und nicht die ganze Region erfasst“, erläuterte Christine Bärnthaler vom Verein „Leader Zirbenland“.

Kulturschock

Nach dem vorliegenden Studienergebnis müsse man das Zirbenland gut kennen, um seine Werte zu schätzen und es zu lieben, zu kommen oder zu bleiben. „Um der Entvölkerung entgegenzuwirken, muss man auch Zuwanderung zulassen“, so Klaus Rainer, der damit auch Personen aus dem Ausland ansprach. „Ich hätte einen Kulturschock“, antwortete ein Student auf die Frage, ob er nach den Erkenntnissen, die er durch seine Studie erworben habe, in das Zirbenland ziehen würde. Sein Kollege aus dem Burgenland erteilte einer derartigen Anfrage ebenfalls eine Abfuhr: „Nein, ich mag keine Berge.“
„Wir werden viel von ihren Erkenntnissen mit heimnehmen“, versprach Dr. Bibiane Puhl vom ROW (Regionalmanagement Obersteiermark West) den Studierenden am Ende der Präsentation.

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