Ein neues Kapitel im Leben aufblättern
Großmütter, die Kindern vorlesen, gibt es kaum noch. Noch seltener sind 84-jährige Lehrerinnen, die wieder in die Schule gehen: Ilse Skof aus Judenburg liest Schülern Märchen vor und wird mit ihnen auch turnen.
Zeit für den Ruhestand hat Schulrat Ilse Skof kaum. Sie wohnt im Senioren-Stadthaus Judenburg. Zu ihrem Glück, denn so brauche sie sich nicht um den Haushalt zu kümmern. Sieht und hört man, was Skof zu tun hat, bliebe für Hausarbeit auch keine Zeit. Die Judenburgerin ist ehrenamtliche Mitarbeiterin des Stadtmuseums. Im Senioren-Stadthaus leitet sie einen 16-köpfigen Kulturkreis, für den sie unter anderem Reisen organisiert. Vom 1. bis 24. Dezember gestaltet sie für alle Mitbewohner einen „Lebenden Adventkalender“. Täglich liest sie ihren Mitbewohnern etwas vor und sorgt auch für besinnliche Musik.
„Es gibt kaum noch Großfamilien. Großmütter, die den Kindern vorlesen, sind selten geworden“, sagt die Schulrätin, die selbst zweifache Oma ist. Das Projekt „Kindergärten – Schulen – Ältere Menschen“ kam ihr daher sehr gelegen. Die ehemalige Lehrerin hat 40 Jahre lang unterrichtet. Kindern vorzulesen macht ihr außerdem Freude. „Ich habe beispielsweise das Märchen ,Dornröschen´ vorgelesen. Die Kinder waren begeistert“, freut sich die 84-Jährige, dass sie mit ihrer Auswahl gut angekommen ist. Ilse Skof geht nämlich beim Vorlesen noch einen Schritt weiter und bringt Requisiten mit. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin des Stadtmuseums konnte sie für „Dornröschen“ eine Spindel organisieren und den Kindern zeigen, womit sich die märchenhafte schöne Prinzessin in einen hunderjährigen Schlaf „gestochen hat“.
Märchenhafte Verbindung der Generationen
Den Kindern haben sich Skof und Berta Uansou, eine pensionierte Kindergärtnerin, langsam und behutsam genähert. „Wir haben zunächst beim Unterricht zugehört“, berichtet die Vorleserin. Im Gegenzug waren die Schüler Gäste des Senioren-Stadthauses. Die Kinder haben sich dort genau umgesehen, ihnen wurde gezeigt und erklärt, wie Senioren leben.
Auch bei den Eltern kommt die Vorlese-Aktion gut an: „Ein Vater hat seinen Sohn gefragt, ob denn künftig ältere Lehrerinnen in die Schule kommen. Der Bub soll gesagt haben: ,Nein, keine Lehrerinnen, sondern liebe Damen´. Das hat uns so gefreut“, schmunzelt die Vielbeschäftigte.
„Es ist für uns auch eine Freude, dass die Kinder so nett sind. Deshalb haben wir uns entschlossen, mit ihnen zu turnen. Geplant sind einfache Übungen. Dabei geht es ebenfalls um den Kontakt der Generationen“, so Ilse Skof. Sie ist übrigens auch Sprecherin – eine Art „Betriebsrat“ – des Senioren-Stadthauses. Direktor Kurt Öfler hat sie vor einigen Tagen gefragt, ob sie beim diesjährigen Ganslessen eine Martins-Geschichte vorlesen könnte, in der einmal nicht der Heilige Martin im Mittelpunkt steht. Kann sie. Denn Skof ist im Stadtmuseum fündig geworden und hat dort eine bezaubernde Erzählung entdeckt. Die Spannung soll zwar gewahrt bleiben, aber der Vorleserin ist das Ende der Geschichte im Gespräch doch herausgerutscht: Die Gans überlebt Martini.