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Regionaljournal: Wer Abwanderung beklagt, muss Zuwanderung begrüßen

Wer Abwanderung beklagt, muss Zuwanderung begrüßen

Univ.-Prof. Dr. Rainer Münz gab bei seinem Vortrag über Demografie im Fohnsdorfer Schloss Gabelhofen zu bedenken: Die Obersteirer klagen über Abwanderung, kümmern sich aber nicht um Zuwanderer.

Ihnen ist es gelungen, mit dieser Veranstaltung den Nerv der Zeit zu treffen: Dr. Bibiane Puhl von der EU-Regionalmanagement Obersteiermark West GmbH (ROW) und Norbert Steinwidder, Obmann der Wirtschaftskammer Murtal, haben den Bevölkerungswissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Rainer Münz zu einem Vortrag über die demografische Entwicklung Österreichs eingeladen. Bei seinen Ausführungen über die „Demografischen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft“ nahm Münz auf die Lage in der Obersteiermark Bedacht und beleuchtete die derzeitige Situation aus mehreren Blickwinkeln.

Eindeutige Trends

Münz ordnete seinen Vortrag nach verschiedenen Entwicklungen. Trend 1: Österreich wächst und schrumpft zugleich. Der Zuzug zu den Ballungszentren und den Touristikhochburgen - wie Salzkammergut und Kitzbühel -, ist bekannt. Die damit verbundene Abwanderung – wie aus der Obersteiermark – nimmt hingegen bedenkliche Formen an. Verschärft wird die Situation dadurch, dass es in- und ausländische Zuwanderer nicht in Landstriche zieht, die sowieso an Bevölkerungsschwund leiden.

Zum zweiten Trend, „Österreich wird grauer“, zitierte Münz die Statistik, wonach die Menschen eine immer höhere Lebenserwartung haben. Etwa drei Millionen der 9,5 Millionen Einwohner Österreichs sind älter als 65. Die Überlegung, Pflegeheime und Seniorenwohnsitze zu errichten, liege daher nahe.

Dass der dritte Trend, „Österreich wird bunter“, ein heikles Thema sei, wollte der Wissenschaftler nicht leugnen. „Als Kanzler Faymann händeringend darum gebeten hat, syrische Flüchtlinge aufzunehmen, hätte ich erwartet, dass die Obersteirer um den Zuzug bitten“, meinte Münz und sah dieses Versäumnis als eine entgangene Chance an, denn wer Abwanderung beklage, müsse Zuwanderung begrüßen.

Die Chancen der Obersteiermark

„Willkommenskultur“ nennt Münz das, was die Obersteirer seiner Meinung vermissen lassen: Nicht nur die Zuwanderer, auch die Einheimischen müssten sich um Annäherung bemühen. Und wenn es um Ausländer geht, wären Senioren gefragt: „Pensionistinnen und Pensionisten könnten ihnen Deutsch lernen, ihnen zeigen, wie man hier lebt, dass man Winterbekleidung braucht und vieles mehr.“ Denn „wenn man Zuwanderern die kalte Schulter zeigt, kommt man nicht ans Ziel“. Zudem sei eine Stärkung der bestehenden Betriebe notwendig, Neugründungen müssten ohne behördliche Hürden möglich sein. Der Bau von Mietwohnungen wäre zu forcieren, die notwendige Infrastruktur müsse vorhanden sein. Würde man die Kinderbetreuung optimieren, hätte man ein weiteres probates Mittel, um die Bevölkerung zu halten und zu vergrößern. „Wir haben diese Voraussetzungen“, stellte Wirtschaftskammerobmann Norbert Steinwidder dazu fest, „und dennoch funktioniert es nicht“. Zu Hoffnungen, die in einem Zusammenschluss der Gemeinden zur „Aichfeldstadt“ gesetzt werden, erklärte Münz: „Der Name allein genügt nicht. Eine Stadt muss verdichtet werden.“ Außerdem müsse man berücksichtigen, dass „in der Obersteiermark die Menschen und die Betriebe fehlen“, um die „Aichfeldstadt“ zu bevölkern. „An die große Stahl- und Bergwerkzeit kann nicht angeknüpft werden.“

Und zur Idee, rund um eine Fachhochschule die geforderte Verdichtung aufzubauen, meinte der Referent: „Auch das ist zu wenig. Sie brauchen Facharbeiter, und die müssten von anderen Regionen abgezogen werden.“ Der Kampf um die Facharbeiter sei nämlich von vielen unbemerkt schon lang im Gange: „In China darf jede Familie nur ein Kind haben. Und wenn das dann zur Entvölkerung führt, haben die Chinesen keine Skrupel, die Facharbeiter von uns zu holen.“

Zur Geburtenrate in Österreich stellte Münz fest: „Pro Familie 1,4 Kinder, das kann auf die Dauer nicht gut gehen.“

Der Vortrag im Schloss Gabelhofen ist auf unerwartet großes Interesse gestoßen, wegen Sitzplatzmangels musste für zusätzliche Bestuhlung gesorgt werden. Den Ausführungen von Rainer Münz lauschten unter anderen Ing. Klaus Rainer von „Kraft.Das Murtal“, Hypo-Direktor Bernd Messner, AMS-Leiter Harald Reiter aus Murau und der Judenburger City-Manager Heinz Mitteregger.

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